Fürther Nachrichten
28. September 2004
Filigranes aus Papier

Annette Blocher und Reinhard Wöllmer stellen bei ac.t art in der Villa aus

foto_Thomas_Scherer


Auch heute noch stellen einige ägyptische Handwerker Papier auf die traditionelle Art her, aus den Papyrus-stauden vom Ufer des Nils. Zunächst werden die Stängel auf die spätere Blattlänge gekürzt, dann wird die Außenhaut vorsichtig abgeschnitten und das Innere des Stängels 14 Tage gewässert.

Danach müssen sie in die gewünschte Form geschnitten, platt geklopft und gerollt werden. Zuletzt ordnet man die gewalzten Stängel schachbrettartig auf einem Filztuch an, presst und trocknet sie.

Die Arbeit von Annette Blocher und Reinhard Wöllmer, die derzeit zusammen in der Galerie ac.t art ausstellen, hat viel mit dieser Geduldsprobe zu tun. Ihr Material ist das Papier — gestaltet, geformt, neu geschaffen.

Wöllmers Herkunft aus der Malerei ist unverkennbar und doch hat er sich weit entfernt. Für ihn strebt das Papier von selbst in die dritte Dimension, wobei er sich für konvexe und konkave Kreisformen entschieden hat, die er, man mag es kaum glauben, mit dem Hammer bearbeitet.

„Mir geht es um das Verhältnis von Zentrum und Peripherie, um eine oft kippelige Balance, ich experimentiere mit Fläche und Raum, Fläche und Linie“, erklärt Wöllmer. Weiße, ovale Werke werden von helleren und dunkleren Kanten durchzogen, je nach dem Stand des natürlichen Lichtes. Faszinierend seine schwarzen Kreise, die von der Seite durch zwei, von vorne aber durch vier Linien verbunden sind. Eine sehr systematische Arbeitsweise, die die aufgelöste Zellulose haptisch erfahrbar macht.

Rau und filigran zugleich erscheinen die Objekte von Annette Blocher, die ihre Bearbeitung des Papiers mit dem des Töpferns vergleicht.

Schmuckstücke

Denn während Wöllmer gerade die Begrenzung des Grundstoffs schätzen gelernt hat, umgeht Blocher dieses Moment, indem sie Modelle anfertigt, auf die die Karton- und Papierstreifen aufgetragen werden. Das ermöglicht ihr einen großen Formenreichtum von wuchtigen, an Elfenbein erinnernden Bögen über Flaschen- und Vasenartiges bis hin zu kleinen Schmuckstücken aus Papier, die man sich gut an einer Kette vorstellen könnte. Auch bei ihr stehen die Kreisform und ihre Segmente im Blickpunkt, doch geht sie sparsamer mit den Farben um. Blocher setzt ganz auf die natürlichen Grau- und Braunnuancen der Zellulose. Die sanften Kontraste unterstützen die Werke, indem sie der Form den Vortritt lassen.

„Sechs technische Hilfen“, die Teile von Maschinen sein könnten, „Zehn Bildnisse für den Familienbedarf“ in Tropfen-, Menschen- oder Ovalform, zwei Elefanten-Bögen, die dennoch voller Zartheit sind und Narben tragen und eine „Reinigungsgarnitur“, bestehend aus diversen humoristisch paraphrasierten „Staubsaugern“, zeigt Blocher in der Galerie ac.t art.

Selten haben sich zwei Künstler so vielschichtig und punktgenau ergänzt. CLAUDIA SCHULLER

Annette Blocher und Reinhard Wöllmer, Objekt und Zeichnung, bis 24. Oktober in der Galerie ac.t art, Nibelungenstr. 15, Zirndorf.
28.9.2004

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